Hat diese Society eine Zukunft?

Fleisch 70, Frühjahr 2024 
Text: Sandra Jungmann
Fotos: Niko Havranek                        

Es gab eine Zeit, da war unsere Autorin für Geschichten viel auf Veranstaltungen mit sogenannten „VIPs“ unterwegs. Nie in der Frequenz wie Society-Gott Dominic Heinzl, aber trotzdem so, um zu wissen, was wo los ist, wer mit wem – und vor allem, um jetzt zu bemerken, dass es in der Promi-Welt nicht mehr so glitzert wie früher. Eskapismus in Tratsch, Klatsch und Skandale? Klappt in Österreich nicht mehr so gut (Okay, Lena Schilling lassen wir jetzt einfach mal weg). Aber woran liegt das? Gibt’s keine Promis mehr? Oder sind einfach alle fad geworden?

Falls irgendjemand nur wegen des Buffets gekommen ist, muss man sagen: Leider nein. Gerade einmal eine Schachtel Trześniewski-Brötchen gibt es, sie stehen völlig unbeachtet in einem Nebenraum, und es sind noch dazu die, die keiner wirklich mag: Matjes mit Ei, Ei mit Ei, Tomate mit irgendwas (nein, nicht „mit Ei“). Eine Schachtel Brötchen, das sind 20 Stück, laut der Trześniewski-Website kann man damit bei einem Stehempfang gerade mal fünf Menschen verköstigen: Offenbar haben die Veranstalter selbst nicht mit rasend großem Publikumsandrang gerechnet. Oder nicht damit, dass jemand Hunger hat.

Ich sitze im Barocksaal des Alten Rathauses in der Wiener Wipplingerstraße, ein Mittwoch Anfang April, zur Mittagszeit: Die PR-Agentur der Musicalsängerin Maya Hakvoort hatte zu dem Termin eingeladen, die öffentliche Generalprobe für Hakvoorts Soloprogramm im Wiener Konzerthaus. Wobei: Öffentlich? Gerade einmal zwei Menschen von den ORF-„Seitenblicken“ sind da, dazu noch eine andere Journalistin und ein paar Mitarbeiter*innen der PR-Agentur, und als Maya Hakvoort dann die Veranstaltung mit den Worten „Danke, dass so viele gekommen sind“ eröffnet, ist nicht ganz klar, ob das ernst gemeint ist, Ironie oder der Text, den sie für die richtige Aufführung proben will. 

Insgesamt vier Journalist*innen also, das ist selbst für österreichische Verhältnisse wenig. Denn Hakvoort ist schon ein Star in Österreich, das, was Medien dann gerne „Grande Dame“ nennen. Sie gehört jetzt vielleicht nicht in die Marcel-Hirscher- oder Junior-Mateschitz-Liga, aber wenn sie einlädt, dann ist eigentlich immer was los, und umgekehrt ist sie natürlich auch überall, wo etwas los ist. Eigentlich.

An dieser Stelle sollte ich vielleicht einen selbstreferenziellen Einschub machen: In einem früheren Leben war ich häufig auf Events mit sogenannten VIPs. Ich war zwar keine klassische Gesellschaftsreporterin, sondern zuständig für die Promi-Interviews, aber die Grenzen sind dabei fließend, und deswegen gab es eine Zeit in meinem Leben, da wusste ich nicht nur, wann der Life Ball und die Romy und die ORF-Programmpräsentation stattfinden, ich stand auch auf der Gästeliste und war in meinem Freundeskreis diejenige, die die Eintrittskarten besorgen konnte. 

Mir fiel auf, dass ich schon lange keine wirklich gute Tratsch-und-Klatsch- Geschichte mehr
gelesen hatte. Es gibt kein Wer-mit-wem, auch kein
Wer-mit-wem-nicht-mehr.

Es war also nicht alles schlecht vor Fleisch.

Aber diese Zeit ist lange vorbei. Ich bin, was Society-Themen angeht, längst nicht mehr so am Stand, wie ich das mal war, und als ich kürzlich darüber nachgedacht habe, fiel mir auf, dass ich eigentlich schon lange keine wirklich gute Tratsch-und-Klatsch-Geschichte mehr gelesen hatte. Also ja, es gibt natürlich Berichterstattung von irgendwelchen Events und auch die kleinen lustigen Zitate, wenn Dominic Heinzl bei irgendwelchen Bällen mit seinem Kamerateam aufschlägt und dann einen überraschend redseligen Sigi Wolf vor die Linse bekommt. Aber sonst? Es gibt kein Wer-mit-wem mehr, auch kein Wer-mit-wem-nicht-mehr. Es gibt den ganzen Gossip, den Lena Schilling offenbar per WhatsApp verschickt hat, nicht mehr für die Allgemeinheit.

Schon klar, Österreich war jetzt in Fragen des veröffentlichten Getratsches nie mit den angloamerikanischen Ländern zu vergleichen. Wir hatten keine wirklichen Tabloids, bei denen wild gewordene Reporter und Chefredakteure den Prominenten bis in die Schlafzimmer nachspionierten oder die Telefongespräche abhörten, um möglichst gute Tratsch-und-Klatsch-Geschichten zu bekommen. Aber ein bisschen was war auch bei uns los: Wir waren mehr oder weniger live dabei, als ein Bundespräsident seine Geliebte zur wichtigsten Beraterin in der Hofburg machte und sie dann heiratete (Thomas Klestil und Margot Löffler). Wir haben mehr über den Drogenkonsum von Skispringern erfahren, als wir eigentlich wissen wollten (Andi Goldberger), es gab Intrigen (die Fendrichs) und ausgeplauderte Krankheiten (Wolfgang Ambros), es gab Gerüchte und Outings (die Haiders) und natürlich vor allem jede Menge Liebesdramen (Karl-Heinz Grasser, der seine Verlobte mit Fiona Swarovski betrog, so lange, bis die Verlobte in einem „profil“-Interview ihren „Schmerz annahm“, was aber auch für Getuschel sorgte, weil warum erzählte sie das ausgerechnet dem „profil“ und seinem doch sehr schillernden Herausgeber?). 

Heute ist das alles aus den Zeitungen verschwunden. Warum eigentlich?

Mein erster Termin nach der Generalprobe von Maya Hakvoort ist eine CD-Präsentation im Club „Praterstraße“ in Wien-Leopoldstadt. Es ist ein bisschen seltsam, an einem Dienstag um 18 Uhr da zu sein. Wenn man sich nicht komplett aufgegeben hat, kommt man dort nämlich sonst selten vor drei Uhr morgens hin. Jetzt, am späten Nachmittag, wirkt die ganze Hässlichkeit des Clubs noch seltsamer, und auch die Drinks sind nicht wirklich gut. Bei dem Event wird die CD von Musicaldarsteller Andie Gabauer präsentiert, der Altersschnitt ist deutlich über 50, neben Gabauer erkenne ich auf der Party Eva Maria Marold (Kabarettistin, 55) Roman Gregory (Alkbottle, 53), Faris Endris Rahoma (Journalist & Schauspieler, 48) und Drew Sarich (Musicalsänger, 48) – warum ich den erkenne, weiß ich ehrlicherweise selbst nicht so genau. Ach ja, Maya Hakvoort ist auch wieder da. Das ist kein Zufall, in der Musicalbranche kennt man sich. Ein Kollege, der für eine größere Tageszeitung schon länger auf Society-Events unterwegs ist, genauer gesagt, seit er 18 ist, und das ist auch schon ein paar Jahrzehnte her, entdeckt mich und meint nur: „Hat sich nicht viel verändert, oder?“ 

Ich ziehe weiter, ins „Loft“ im 15. Bezirk: Auch hier geht es um Musik, einer der vielen ehemaligen und mittlerweile in die Jahre gekommenen Falco-Manager präsentiert sein neuestes Talent: Der junge Mann nennt sich Nikotin, singt ein paar ganz okaye Nummern und meint irgendwann, dass er eigentlich nicht in die Falco-Schublade gesteckt werden will. Dafür macht er aber sehr auf Falco und betont überdurchschnittlich oft, wie extrem gern er Drogen nimmt. 

Die neuen Stars sind kontrollierter, sie geben
deutlich weniger her oder sind vor allem deswegen Stars, weil sie selbst ganz fest daran glauben.

Wo bin ich hier? Bin ich wieder auf der falschen Party? Dass ich das nicht bin, weiß ich, als ich Dominic Heinzl entdecke. Der Mann ist seit mehr als 20 Jahren der vielleicht wichtigste Society-Reporter des Landes und wenn man so will der beste Indikator, ob ein Event wichtig ist oder nicht. Ich schaue mich um und erkenne bis auf Musikmanager Markus Spiegel, 71, wenige Menschen. Ehrlicherweise ist der größte Star oder zumindest die bekannteste Figur Heinzl selbst, und dementsprechend verhält er sich. Er begrüßt und nickt, lacht, lässt sich mit Fans fotografieren, er glitzert nicht nur wegen seines Philipp-Plein-Outfits am meisten, sondern er ist die schillerndste Figur auf diesem Event. Irgendwann schnappt er sich Lukas Fendrich, den ebenfalls anwesenden, nicht ganz so erfolgreichen singenden Sohn von Rainhard Fendrich, und fragt ihn, was er von Nikotin hält. „Würdest du diese Art von Musik selbst gern machen?“ Fendrich ist ob dieser kleinen Spitze ein bisschen irritiert – all das wird ein paar Tage später in Heinzls ATV-Sendung zu sehen sein. 

Österreichs Society war jetzt nie besonders spannend, zumindest im weltweiten Vergleich. Bei uns konnte jeder ein Star sein, und es ging sogar sehr schnell, wenn man nur oft genug auf die richtigen Veranstaltungen ging. Legionen von Baumeistern, Bäckern und Slalomfahrern legten es darauf an. Aber wir hatten mit Ausnahme von Arnold Schwarzenegger und Christoph Waltz keine Glitzermenschen aus Hollywood, wir hatten keine Popstars, keine Royals, und unsere Showstars hießen Mirjam Weichselbraun oder Rainer Pariasek. Das ist natürlich wenig, vor allem, wenn man bedenkt, dass auch die Sportler mittlerweile Profis sind. Der Letzte, der da ein bisschen aus der Rolle fiel, war Hermann Maier, der legt es jetzt mit etwas jenseits der 50 auch deutlich ruhiger an. 

Die neuen Stars sind kontrollierter, sie geben deutlich weniger her oder sind vor allem deswegen Stars, weil sie selbst ganz fest daran glauben (Stefan Maierhofer). Wir hatten Silvia Schneider und Andreas Gabalier, die haben als Paar aber nie wirklich geglitzert – das lag nicht an ihr, sondern an ihm. Wir haben Leona König und Alexander Wrabetz, da sorgt zumindest er durch stetige optische Verjüngung für Heiterkeit. Dann könnten vielleicht noch Dominic Thiem und Lili Paul für ein bisschen Glamour sorgen, wobei Thiem die Bitte nach mehr Glanz und Glitzer wohl vor allem als Aufforderung an seinen Friseur missinterpretierten würde. Dann gäbe es vielleicht noch Christian Kern und Verena Altenberger, das ist aber mehr ein Instagram-Paar als Personal aus dem realen Leben, und damit hat es sich auch schon, und man ist bei Maya Hakvoort.

Oder man sitzt bei Marika Lichter auf dem Sofa. Wenn man verstehen will, wie die österreichische Society funktioniert, dann führt an ihr kein Weg vorbei. Lichter, 74, in einem früheren Leben ebenfalls Musicalsängerin, hat mal die ORF-Tanzshow „Dancing Stars“ gewonnen, eigentlich ist sie aber vor allem Eventveranstalterin. Über die Jahrzehnte hat Lichter ein feines Netz durch die österreichische Society gewoben mit wechselseitigen Abhängigkeiten, Verflechtungen sowie kleinen Gefälligkeiten, und in der Mitte davon steht ihr Schreibtisch im Trattnerhof direkt neben dem Stephansplatz. Von hier aus organisiert sie die Partys, die dann in der Zeitung stehen, weil sie sowohl die Journalisten kennt als auch die Menschen, die kommen müssen, damit die Journalisten berichten. 

„Die Zeiten der schillernden Persönlichkeiten sind vorbei“, sagt Lichter jetzt. „Jemanden wie eine Dagmar Koller gibt es nicht mehr, also echte, schillernde Größen.“ Lichters Büro ist vollgeräumt, ihr Schreibtisch steht direkt neben der Tür. Steht die Tür offen, sieht man ihre blonden Locken schon vom Gang aus. Sie strahlt eine natürliche Autorität aus, man merkt, dass sie wahrscheinlich durchaus unangenehm werden kann, wenn es sein muss. Dementsprechend überrascht es eigentlich auch nicht, dass sie ziemlich hart und unverblümt in ihrem Urteil ist. „Das liegt daran, dass sich auch hier viel in den digitalen Raum verlagert hat“, sagt Lichter jetzt. „Und dort ist man nicht mehr auf die Events angewiesen.“ 

Lichter hat damit wahrscheinlich nicht ganz unrecht. Jüngere Menschen oder Influencer*innen fehlen komplett auf dem sogenannten Society-Parkett. „Die haben es einfach nicht notwendig, dorthin zu gehen, weil sie ihre Zielgruppe über ihr eigenes Medium bedienen“, sagt Lichter. „Wenn man will, dass sie kommen, muss man sie bezahlen. Aber warum sollten Eventveranstalter das tun?“ Influencer*innen jedoch leben davon, dass sie Geld dafür bekommen, durch ihre Präsenz die Aufmerksamkeit auf gewisse Produkte zu lenken, eine Party ist da am Ende auch nichts anderes. Zumal die Society-Berichterstattung umgekehrt ja für sie eigentlich nichts bringt. Warum sollten Menschen, die über ihre Social-Media-Kanäle Hunderttausende Leute erreichen, für ein Foto in der Zeitung auf einer Veranstaltung antanzen, das dann in „NEWS“ erscheint, also im besten Fall von ein paar Tausend Menschen gesehen wird?

 Und wahrscheinlich muss man das viel weiter fassen und nicht auf Influencer*innen runterbrechen: Maurice Ernst wird man nie auf den „Adabei“-Seiten finden, den Nino aus Wien oder Anna Gasser ebenfalls nicht. Das, was sie verkaufen wollen, können sie über die eigenen Kanäle sehr viel besser verkaufen als über den Umweg der Society-Spalten. Mit mehr Reichweite und auch deutlich besserer Kontrolle: Denn was Dominic Heinzl aus dir und deinem Dirndl am Jägerball macht, das kannst du nicht beeinflussen – was dein Social-Media-Mitarbeiter auf Instagram postet, aber schon. 

Das Geschäftsmodell der Society hat sich durch die sozialen Netze geändert: Partys, Events und Prominenz waren ja auch bisher nur in den wenigsten Fällen ein Selbstzweck. Promis haben etwas zu verkaufen, egal ob das eine Semmel, eine Platte oder die Moderation bei der Eröffnung eines Autohauses in Graz-Unter-premstätten ist. Das gilt für fast alle, die in den Gesellschaftsspalten auftauchen, sogar der „Seitenblicke“-Pfarrer Toni Faber macht im Grunde Werbung, in seinem Fall für das weltliche Antlitz der katholischen Kirche. Deswegen gehen sie auf Partys, nicht weil sie so gerne Spargel essen oder Andy Lee Lang hören. Die paar anderen, die tatsächlich nur aus Egozentrik und Selbstdarstellungssucht ausgehen, fallen kaum ins Gewicht. 

Und das Ganze hat auch massive Auswirkungen auf die Verwertungsindustrie selbst. Eine Kollegin, die früher selbst Society-Reporterin war und heute an vorderster Event-Front arbeitet, bestätigt das: „Früher war es so, dass man für eine Geschichte im Print ein bisschen Gossip von denjenigen bekommen hat, über die man berichtet hat“, sagt sie. 

„Davon haben beide Seiten profitiert und damit gut gelebt. Oder die Blätter haben ihre Promis selbst ‚groß gemacht‘. Das hat das Netz natürlich verändert.“ Denn wer braucht heute noch Print? Die wenigsten Redaktionen haben noch wirklich große Society-Ressorts, bei vielen Events wird einfach die Presseaussendung der Agentur übernommen, ohne Witz, Esprit. Das ändert die Arbeit der Pressemenschen, sagt die Kollegin: „Ich schicke meine Gästelisten mit Fotos aus, weil die Redakteurinnen oft keine Ahnung mehr haben, wer die Leute sind.“ Welchen Stellenwert Societyberichterstattung mittlerweile hat, konnte man beim Opernball erkennen. Während sich dort sonst die Society-Fotograf*innen und Reporter*innen um die besten Plätze prügelten, herrschte bis auf ein paar Medienvertreter*innen, die man an einer Hand abzählen konnte, gähnende Leere. Spannenderweise ist der Opernball trotzdem im Fasching fast omnipräsent und quillt aus allen Social-Media-Kanälen. Die Menschen, die hingehen, inszenieren sich nämlich selbst in ihren Roben. Der Ball braucht offenbar die Society-Journalist*innen auch nicht mehr.

Die Wochenmitte ist so was wie der Wendepunkt am Society-Parkett, mit Mittwoch beginnen die Großkampftage, wie Society-Reporter*innen sie nennen. Und wieder sind es die gleichen Leute, die man trifft, sowohl die Berichterstatter*innen als auch die, über die berichtet wird. Wie ein kleines Raumschiff zieht der Tross von einer Veranstaltung zur nächsten, man ist erst bei der Peter-Kraus-Jubiläumsgala anlässlich seines 85. Geburtstags, an einem Mittwoch, Punkt 12 Uhr, im Metro-Kino in der Innenstadt. Dann geht es weiter zum Ostereier-Bemalen bei Gmundner Keramik, Dominic Heinzl ist auch wieder da, und es ist das immer gleiche Stück, das sich abspielt. Am faszinierendsten ist es da, Heinzl dabei zuzusehen, wie er den Promizirkus dirigiert und den VIPs sagt, was sie tun sollen. „Halt das in die Kamera“ oder „Na, das war aber jetzt ned so super, probier ma das noch mal.“ Alle folgen ihm bereitwillig. Und es dauert wirklich nicht lange, da bist du als Journalistin in diesen Zirkus integriert, nickst den Kolleg*innen vor Ort wissentlich zu, weil sie mittlerweile so was wie Partner in Crime sind, oder wirst gefragt, ob du in zwei Stunden eh auch wieder dabei bist bei Ali Rahimi – oder zumindest am nächsten Abend dann, im Marchfelderhof.

Das Raumschiff derer, die kein Instagram haben oder zumindest zu wenig Follower, um in der neuen Zeit dort wirklich relevant zu sein, fliegt einfach unverdrossen weiter. Je länger ich mitfliege, desto lustiger finde ich es. Ich fühle mich bald so, als würde ich einen alten Schwarz-weiß-Film schauen oder wieder mit meinem alten Nokia-Handy unterwegs sein, ohne Internetzugang. Wenn man will, dann ist die Society in Österreich nicht mit der Zeit gegangen, vielleicht ist das auch gar nicht möglich, und vielleicht muss sie das auch gar nicht. Weil sich rundherum eh alles verändert und es manchmal gut ist, wenn gewisse Dinge einfach so bleiben, wie sie sind. Weil hier nichts hinterfragt, nichts diskutiert werden muss. Man kennt sich schon lange, trifft sich, ohne sich extra etwas ausmachen zu müssen, plaudert, hat eine gute Zeit. Ein Safe Space für die Promis, die seit 30 Jahren unterwegs sind, wenn man so will.

Ich gönne mir noch einen letzten Termin und fahre nach Laxenburg ins Restaurant „Kaiserbahnhof“, und es ist großartig. Richard Lugner sitzt neben Peter Westenthaler, Toni Polster ist da, Michael Walchhofer auch, Hans Krankl sitzt ein paar Tische von Franz Wohlfahrt entfernt. In der großen Halle reiht sich ein runder Tisch an den nächsten, und spätestens, wenn man ein Mal durch die Nase einatmet, weiß man, dass man mitten in der Bärlauch-Saison steckt. Aus der Küche wird ein Essen nach dem anderen geschoben, Heinz Hanner schenkt, warum auch immer, hinter der Bar aus – es ist alles gratis, die fünf Gänge, die Getränke. Es muss ein Vermögen kosten. Man schaut durchwegs in alte Gesichter, Hans Krankl ist irgendwie sauer und starrt nur auf sein Handy, außer die „Seitenblicke“-Kamera richtet sich auf ihn. Es wird ein bisschen getuschelt („Hast gehört, der Ogris und seine neue Freundin!“), Kabarettist Reinhard Nowak sitzt stoisch neben seiner Frau, ich stelle fest, dass ich Tony Wegas immer noch erkenne, und irgendwann beginnt Andy Lee Lang zu singen – so laut, dass auch „die linke Reichshälfte etwas hört“.

Wenn man will, dann ist die Society in Österreich nicht mit der Zeit gegangen, vielleicht ist das auch gar nicht möglich und vielleicht muss sie das auch gar nicht. Weil sich rundherum eh alles verändert und es manchmal gut ist, wenn gewisse Dinge so bleiben, wie sie sind.

 

Es ist wie ein eigener Kosmos. Die Stimmung ist gut, alle fühlen sich wohl – also alle außer Hans Krankl, aber der ist auch vor der Nachspeise schon weg. Toni Polster kriegt zu seinem 60er eine Torte mit Sprühkerzen, Adi Niederkorn (die noch lebende Hälfte von Edi und Adi) steht auf der Bühne, und während ich diese Zeilen tippe, denke ich mir, dass man einem Menschen unter 30 wahrscheinlich erklären müsste, wer diese Menschen überhaupt sind, die die Medien als Society abfeiern. Das Essen ist mittelmäßig, der Wein auch – aber es ist allen wurscht, weil alle haben eine gute Zeit. Was genau das bringt? Das ist eine andere Frage.

Erschienen im Frühjahr 2024. Fleisch 70 – Wann hat die Zukunft ihren Glanz verloren? - ist bestellbar im Abo oder als Einzelheft unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! 

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